Wie alles in Rust begann
Musik erzählt eine Geschichte

Die Anfänge

Das Jahr 1854 — eine bewegte Zeit:

England und Frankreich traten in den Krim—Krieg ein. In Wien heirateten Kaiser Franz Joseph I und „Sissi“. In der Musikgeschichte komponierte Richard Wagner „Die Walküre” und ein Jahr zuvor war Verdis weltberühmte Oper „La Traviata” uraufgeführt worden.

In Rust versammelte sich 1854 eine kleine Schar Kirchenmusiker und gründete die Musikkapelle Rust. Mit Lehrer Eberenz fand sich auch gleich ein Dirigent, der die ersten und nicht einfachen Schritte der Musiker begleitete. Wohl kaum einem war es damals bewusst, dass mit diesem Schritt der Grundstein für eine nun mittlerweile schon 150 Jahre alte Musikkapelle gelegt wurde.

Fleiß und Idealismus bildeten schon bald eine gute Basis, auf dem sich die Kapelle weiter— entwickeln konnte. Die gute Resonanz in der Bevölkerung spornte die Männer zum Üben an. Schon kurze Zeit nach der Gründung konnte lsidor Sattler, ein Mann aus den eigenen Reihen, den Dirigentenstab übernehmen. Nach dessen Tod lag die musikalische Leitung in den Händen von Lehrer Leppert.

Erste Erfolge und die Spaltung

Von 1903 bis 1906 stand der damals bekannte Militärkapellmeister Pracht an der Spitze. Seinem Können und seiner energischen Leitung verdankte die Kapelle einen beachtlichen Aufstieg. Er wurde als Dirigent von Zoll-inspektor Schneider abgelöst, der bis 1910 die Leitung innehatte. Zwei schwierige Jahre hatte die Kapelle zwischen 1911 bis 1913 zu meistern. Aus heute nicht mehr bekannten Gründen entstand eine Uneinigkeit, die dazu führte, dass eine Hälfte der Musiker eine neue Kapelle gründeten. „Rust hatte nun zwei Musikkorps, die nicht leben konnten, aber zunächst auch nicht sterben wollten”, charakterisierte ein Chronist zum 100—jährigen Jubiläum die Situation der Kapelle. Schließlich versöhnten sich die beiden Lager wieder und es kam 1913 zu einer Vereinigung der beiden Kapellen. Während des ersten Weltkriegs ruhten zeitweise die Instrumente und es kam zu häufigem Dirigentenwechsel. Kaum war der Krieg beendet, fanden sich die Idealisten wieder zusammen und das gemeinsame Hobby wurde weitergeführt.

Wiedervereinigung und die Phase der Kontinuität

Von 1924 bis 1942 konnte Josef Deibel im Amt des Dirigenten eine Phase der Kontinuität in bewegten Zeiten einleiten. Die Herrschaft der Nazis hatte auch auf die Auftritte der Gemeinde— kapelle Einfluss. 1935 betonte man noch in einem Vorstandsbeschluss, dass die Musikkapelle für Auftritte bei Versammlungen sechs Mark und bei Kundgebungen 12 Mark Honorar erheben wollte, „ansonsten werde bei denselben nicht gespielt“, hieß es mutig. Doch ob diese Gebühren bei Auftritten wie den zahlreichen Fackelzügen durch die Ortsstraßen oder bei Unterhaltungs— konzerten an Kameradschaftsabenden der NSDAP je bezahlt wurden?

Da insbesondere bei Nazi-Kundgebungen die Musik ein wichtiges Propagandamittel war, wurde dieser Bereich auch besonders gefördert. So nahm die Musikkapelle am 5.-7. Juni 1937 am „Fest der deutschen Volksmusik“ in Karlsruhe teil. Mit dem Zug fuhren die Musiker für drei Tage nach Karlsruhe. Für die jungen Männer ein Erlebnis.

Musik in Zeiten des 2. Weltkriegs

Am 12. Juni 1938 nahmen die Musiker am Wertungsspiel beim Bezirksmusikfest in Lahr mit gutem Erfolg teil.

Der zweitletzte Eintrag vor dem fatalen zweiten Weltkrieg war der 20.4.1939:

‚„Am Geburtstag unseres Führers morgens Wecken, mittags von 12.00 – 2.00 Uhr Platzkonzert, abends gespielt bei der Feier der NSDAP”. So verabschiedete sich die Musikkapelle und hinterließ eine über neun Jahre andauernde Lücke in ihrer Vereinschronik.

Zirka zwanzig Musiker zählte die Kapelle mit ihrem Vorsitzenden Karl Schwarz an der Spitze in den Jahren vor dem Krieg. Alle jungen Musiker wurden eingezogen. Fast die Hälfte der Musiker kehrte nicht mehr heim. Im Krieg sind Karl Pfeffer, Karl Gruninger, Franz Hauser, Adolf Sauter, Stefan Kempf, Josef Rinkenauer, Xaver Scherer, Stefan Stöhrmann gestorben. Auch wenn nach dem Tod von Josef Deibel im Jahre 1942 kein Dirigent mehr zur Verfügung stand, die älteren Musiker hielten die Musikkapelle auch über die letzten drei Kriegsjahre aufrecht. Sie wurden wohl auch nur noch zu traurigen Anlässen gebraucht.

Nachkriegszeit

Der erste Eintrag nach dem Krieg datiert aus dem Jahre 1948, wo man den ersten Auftritt der Musikkapelle mit zirka fünfzehn Musikern am Weißen Sonntag für die Erstkommunionkinder hatte. Theodor Schießle wurde Ende 1948 auch neuer Bürgermeister der Gemeinde. Er versprach sobald wie möglich für die dringend notwendigen Instrumentenreparaturen und für den Kauf von Notenmaterial aufzukommen.

Die Kapelle bestand nach dem Krieg fast nur noch aus jungen Männern, denen aber ein musikalischer Leiter fehlte. Diese Lücke wurde ab 1949 mit Musikdirektor Otto Höhn geschlossen. Höhn konnte dann die Nachkriegsaufbauarbeit auch bei der Musikkapelle beginnen. Die Kontinuität bei der Vereinsführung um den ersten Vorsitzenden Franz Koch (1949—1965) und dem Dirigenten Otto Höhn, der musikalischer Leiter der Kapelle von 1949-1980 war, wirkte sich positiv auf die Kapelle aus.

1951 wurden bereits mehrere Musikfeste in der näheren Umgebung besucht. Vor heimischem Publikum zählten das Frühjahrskonzert und die Weihnachtsfeier zu den Höhepunkten.

100 jähriges Jubiläum

Die Bedeutung der Kapelle für die Gemeinde charakterisierte Otto Höhn 1952 mit diesem Satz als schon 58 Proben abgehalten wurden: „Was ist eine Gemeinde ohne Musik? Das ist soviel wie eine Kirche ohne Glocken.”

Ein großes Erlebnis war für die Musiker der Besuch des Maifestes der späteren Patenkapelle Zell am Harmersbach 1953. Mit drei Omnibussen fuhren die Musiker zu diesem Auftritt.

Ein besonderer Höhepunkt im Vereinsleben der Musikkapelle War das 100—jährige Jubiläum, das diese vom 6. — 8. Juni 1954 feierte. Zu diesem ersten großen Jubiläumsfest nach dem Kriege erwartete man auf den Festwiesen bis zu 8000 Festbesucher.

Große Erfolge

Unter Otto Höhn nahm die Musikkapelle einen steilen Aufschwung. Bei regelmäßigen Konzertveranstaltungen wie auch bei der Teilnahme an Wertungsspielen stellte die Kapelle
ihr Können unter Beweis. 1955 erreichten die Musiker beim Wertungsspiel in der Mittelstufe mit ihrem Stück „Fantastische Ouvertüre” ein „sehr gut vorzüglich”. Dieser große Erfolg mit dem Vortrag eines in die Oberstufe einzuordnenden Werks wurde kräftig gefeiert. Mit klingender Marschmusik, vorne weg der Bürgermeister und der erste Vorsitzende mit dem Pokal, marschierten die Musiker in das Dorf ein.

1959 zählte die Musikkapelle 27 aktive Musiker. Aber schon damals ließ das Hobby Musik kaum Zeit und Raum für weitere Freizeitaktivitäten. 109 Proben und Auftritte zählte das Probejahr 1959.

Die Musikkapelle als Botschafter der Gemeinde

Auch machte sich die Musikkapelle Gedanken über die Nachwuchswerbung. Ein Eintrag des damaligen Schriftführers Ambros Lang von 1961 zeigt Parallelen zur heutigen Situation auf:

„Man kann auch in Rust feststellen, dass immer weniger junge Leute an diesem Ideal Interesse haben. Wir stellen überall fest, dass der materielle Geist diese edle Sache der Kultur zu stark belastet.”

1964 feierten die Musiker ihr 110-jähriges mit einem dreitägigen Gartenfest. Zahlreiche Gastkapellen sowie die örtlichen Vereine beteiligten sich am Festumzug und anschließendem Konzert.

Bei regelmäßigen Konzertveranstaltungen in Umlandgemeinden sowie bei Wertungsspielen war die Musikkapelle auch in den kommenden Jahren unter den Vorständen Josef Erny (1965- 1969) und Paul Rein (1969—1978) immer wieder musikalischer Botschafter der Gemeinde. Ein weiterer Höhepunkt in der Vereinsgeschichte war 1969 die Verleihung der vom Bundes- präsidenten gestifteten „Pro Musica—Plakette”.

Werbung für den Europapark und 125 Jahre MK Rust

Neue Erfahrungen machte die Musikkapelle mit der Gründung des Europa-Parks im Jahre 1975. Mit zahlreichen Konzerten in den Anfangsjahren im Europa-Park ebenso wie bei Werbeveran— staltungen in verschiedenen Städten, begleitete die Musikkapelle den Freizeitpark und die Familien Mack bei ihrer Aufbauarbeit. Auf Einladung der Familie Karl und Amalie Bornhäuser besuchten die Musiker auch Luxemburg. Dort veranstaltete die Kapelle auch ein Platzkonzert anlässlich der Eröffnung der Schober—Messe. Anschließend durfte die Kapelle den Umzug mit dem Festkomitee durch die Straßen der Stadt zum Messplatz anführen.

1976 wurde das Ruster Straßenfest ins Leben gerufen, das seitdem für die Kapelle mit ihrer Schlossschenke jedes Jahr eine besondere Herausforderung darstellt. Die Musik lässt es sich nicht nehmen, die Gäste selbst durch die eigene kleine Besetzung der Kapelle zu unterhalten. Da die Kapelle nicht auf passiye Mitglieder zurückgreifen kann, sind immer wieder alle Musikerinnen und Musiker sowie ihre Partner gleich über mehrere Tage zu Arbeitseinsätzen eingeteilt.

Das 125—jährige Jubiläum wurde mit einem großen Fest gefeiert. 46 aktive Mitglieder, sieben Ehrenmitglieder zählte die Kapelle im Jubiläumsjahr 1979. Ein Sternmarsch mit zahlreichen Gast— kapellen ließ die gesamte Gemeinde erklingen.